Deutscher Segelflugverband e.V.

BFU - Bundesstelle für FlugunfalluntersuchungStudie über Annäherungen und Kollisionen  von Luftfahrzeugen im deutschen Luftraum 2010 – 2015

Hinter diesem langen Titel verbirgt sich eine 68 Seite umfassende Veröffentlichung der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen vom 17.1.2017.

Die drei Autoren, Flugunfalluntersucher der BFU, kommen dabei zu zwei Sicherheitsempfehlungen. Diese könnten erhebliche Auswirkungen auf den Segelflug in Deutschland haben. Der Wortlaut:

Sicherheitsempfehlung Nr. 02/2017

"Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sollte die bestehende Ausnahme in Bezug auf den Verzicht einer Transponderabstrahlung für die Betriebsart Segelflug oberhalb 5 000 Fuß AMSL bzw. 3 500 Fuß GND nach der Verordnung über die Flugsicherungsausrüstung der Luftfahrzeuge (FSAV) aufheben."

 

Sicherheitsempfehlung Nr. 03/2017

"Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sollte sicherstellen, dass Flüge des kommerziellen Lufttransports nach Instrumentenflugregeln mit Luftfahrzeugen größer 5,7 t  Abflugmasse bzw. mehr als 19 Sitzplätzen nur in Lufträumen erfolgen, in denen die Flugverkehrskontrolle jederzeit in der Lage ist, Verkehrsinformationen und Ausweichempfehlungen bezüglich aller sonstigen im selben Luftraum operierenden Luftfahrzeuge zu erteilen sowie bordeigene und bodengebundene Kollisionsschutzsysteme (ACAS und STCA) vor drohenden Kollisionen warnen können."

 

Die Autoren stellen losgelöst von den anderen Unfall- oder Störungsgründen das Thema „Sehen und gesehen werden“ in den Mittelpunkt ihrer Ausarbeitung. In der Mitte der Veröffentlichung findet man einen Hinweis drauf, dass es in Deutschland von 2010 bis 2015 annähernd 1600 Staffelunterschreitungen gibt, von denen weniger als 500 in den Bereich der VFR/IFR Mischverkehre fallen. Warum sich die BFU nun bei ihren Betrachtungen auf die kleinere Gruppe eingrenzt, wird nicht erklärt und begründet.

Die erste Hälfte der Veröffentlichung ist eine sehr detaillierte Zusammenfassung aller möglichen Luftraumregeln, Erklärung von technischen Zusammenhängen und Erläuterungen zum Thema Mischverkehr in Luftraum E, wie sie in den letzten Jahren immer wieder publiziert wurden.

Danach folgt eine Zusammenfassung der in dem Beobachtungszeitraum vorgefallenen Unfälle, Zwischenfälle etc.

Die erste Sicherheitsempfehlung gründet sich wohl auf der Annahme, dass der Einsatz von Transpondern die aufgezeigten Zwischenfälle verhindert hätte. Offen bleibt dabei die Frage, warum es denn weitere 1000 Zwischenfälle gab, obwohl die daran beteiligten Luftfahrzeuge technisch perfekt (einschl. Transponder!) ausgerüstet waren. Komplett außer Acht gelassen werden hierbei Erfahrungen unserer holländischen Fliegerfreunde, die Transponder einrüsten mussten, um dann in der Schiphol TMA für Systemausfälle der Radarlotsen verantwortlich gemacht zu werden und dann dort den Transponder nicht mehr einschalten durften. Zum jetzigen Zeitpunkt hat die EASA eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit dem Thema „Surveillance“ intensiv befasst und von Anbeginn an mit der Komplexität des Projektes auseinander zu setzen hat. Es gibt eben nicht die einfache Lösung, dass Transponder alles sicher machen würden.

Sehr wichtige Seiten sind 57 ff, denn hier wird die Luftraumplanung in der Bundesrepublik basierend auf dem Leitsatz für die Lufträume C und D - „So groß wie nötig, so klein als möglich“ - in Frage gestellt. Ein Zwang, alle Luftfahrzeuge größer als  5,7t jederzeit im Luftraum C und D zu halten, lässt sich nur dann verwirklichen, wenn die bestehenden Lufträume erheblich vergrößert würden. Bei der hohen Dichte von internationalen und regionalen Flughäfen wird es Luftraum D-Regionen geben, in denen Segelflug nicht mehr stattfinden wird. Das würde bedeuten, dass wir nur noch in „Luftraumreservaten“ fliegen könnten. Bemerkenswert ist aber auch die Risikobeschreibung auf Seite 58, in der auf ein frühes Freigeben der Verkehrsteilnehmer für den Sinkflug außerhalb der geschützten Lufträume bei wenig frequentierten Flugplätzen hingewiesen wird. Dieses Risiko ist aus Sicht des DSV insbesondere bei VFR Wetterlagen vermeidbar und im Übrigen auch den mit uns im Dialog stehenden Airlines bewusst und ebenfalls nicht gewünscht.

Bedauerlich ist, dass diese Ausarbeitung anscheinend losgelöst von den Luftraumnutzern der Allgemeinen Luftfahrt, der kommerziellen Luftfahrt, dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, dem BMVI und auch der DFS entstanden ist. So weitreichende Schlussfolgerungen und Empfehlungen, die ja auch umgesetzt werden sollen, wenn sie denn tatsächlich den versprochenen Effekt haben sollten, können nicht im stillen Kämmerlein entstehen, sondern brauchen die Mitwirkung aller Beteiligten.

Der Ausschuss Unterer Luftraum Segelflug (AUL-S) und seine Mitglieder haben seit vielen Jahren – man kann fast sagen: Jahrzehnten – das Thema Transponder und Segelflug begleitet und die Ausnahmeregelung wesentlich mitgestaltet. Natürlich ist der Luftraum E der Luftraum, in dem wesentliche Strecken,  Flugzeiten  und Bewegungen des Segelflugs stattfinden. Darum hat der AUL-S auch in der Vergangenheit immer wieder an der Entwicklung von Informationen und Umsetzung von Verfahren mitgewirkt, die die Nutzung des Luftraums E im Mischverkehr für alle Beteiligten ermöglicht und sicher macht. Dazu gehören entsprechende Berücksichtigung im Kriterienkatalog, flexible Formen der Nutzung sowie intensive Informationen  in Form von Awareness Campaigns für bestimmte Gebiete und Regionen. Zudem waren alle Beteiligten in der Luftraumnutzerkonferenz immer der Auffassung, dass der Transponder alleine nicht die Lösung möglicher Probleme sein kann. Alleine die Vorstellung, dass bei Streckenflugwetter in Verbindung mit intensivem Platzrundenverkehr alle Segelflugzeuge ein Transpondersignal abgeben würden, hat selbst bei der DFS zu großer Zurückhaltung im Hinblick auf die operationelle Verarbeitung dieser Daten für die Flugsicherung geführt.

Mit allen diesen Maßnahmen hat der Segelflug und die weiteren Nutzer des Luftraums E auch die Vorschläge der früheren Flugsicherheitsinformationen der BFU zum Thema „IFR/VFR-konfliktfreies Miteinander im Luftraum E“ umgesetzt. In der Flugsicherheitsinformation V 167 vom Mai 2006 wird von der BFU zu dem Thema wie folgt zusammengefasst: „Das Fliegen im Luftraum E ist ein Miteinander von IFR und VFR. Es funktioniert besser, wenn alle im Bewusstsein für den anderen mit der nötigen Umsicht unterwegs sind.“ Auch die Flugsicherheitsinformation der BFU V 176 vom Dezember 2011 beschäftigt sich wieder mit Mischverkehr im Luftraum E und schlägt dort unter anderem vor, dass die IFR geführten Flugzeuge mit besseren Karteninformationen zu dem VFR Verkehr ausgestattet sein sollten. Auch das wird vom Segelflug unterstützt. Jedenfalls ist eine „Vollausstattung“ mit Transpondern im Luftraum E nicht das Allheilmittel.

Hierbei stellt sich nicht in erster Linie die Frage, ob die Verfügbarkeit, Gewichte, elektrische Versorgung sowie Einbau und regelmäßige Überprüfung (!) der Transponder im Vordergrund stehen. Die Fortschritte der Elektronik haben ja bereits in den Cockpits der Segelflugzeuge Einzug gehalten. Vielmehr muss die Verhältnismäßigkeit im Vordergrund stehen. Gerade hier ist der Segelflug besonders gefordert und wird seine Interessen gezielt und fachlich begründet einsetzen müssen. Was für den Motorflug und die UL´s kein Problem ist, muss nicht automatisch als Lösung für alle anderen Luftsportarten gelten. Wir denken hier auch an die finanziellen Möglichkeiten, die wir in unseren Vereinen nur begrenzt zur Verfügung haben.

Der Deutsche Segelflugverband (DSV) wird mit seinen Möglichkeiten auf die Beteiligten bei der Luftraumplanung und  –gestaltung einwirken, dass die in der „Sicherheitsempfehlung“ gekennzeichneten Schlussfolgerungen intensiv und breit diskutiert werden. Eine vom sprachlichen Anspruch so wichtige Empfehlung kann nicht ohne Beteiligung aller Betroffenen vorgestellt werden, um daraus den BMVI zu Aktivitäten zu bewegen, große Teile der Luftfahrt – nämlich den Luftsport als vollwertigen Teilnehmer – von der Nutzung des zugänglichen Luftraums auszugrenzen. Bei den regelmäßigen Analysen wurde und wird festgestellt, dass die Aufhebung der Befreiung der Segelflieger von der Transponderpflicht  über 5000 ft bzw. 3500 ft nicht sinnhaft ist. Wir reden hier vom Luftraum E. Gerade bei der Überarbeitung und Einführung des Luftraumelementes TMZ mit Hörbereitschaft hat der DSV und der AUL-S seine Unterstützung für den Einsatz von Transpondern dokumentiert. Das Thema ist kein Dogma für den Segelflug, aber Anwendung eben nur dort, wo es sinnvoll ist.

Der DSV wird das Thema auf allen Ebenen ansprechen und dabei die rechtlichen Grundlagen zur Nutzung des Luftraums und  die Bedeutung des über viele Jahrzehnte bewährten Kriterienkatalogs und dessen Umsetzung in den Vordergrund der Begründungen stellen.

Der DSV hat mit einem Schreiben der BFU ein Fachgespräch vorgeschlagen, bei dem die Rahmenbedingungen und Annahmen diskutiert werden, die zu der Formulierung der Empfehlungen geführt haben. Wir streben dabei eine einvernehmliche Einschätzung an. Über den Fortgang werden wir berichten.

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